Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
Das Nein zu «Sion 2026» ist kein Entscheid gegen die Walliser Organisatoren. Es spiegelt vielmehr die Skepsis gegenüber der Selbstherrlichkeit interna-tionaler Sportverbände. Die Schweiz braucht keine Plattform zur Selbstdar-stellung.
Die Olympischen Spiele müssten wieder verstärkt den Menschen statt die Markt- und Technologie-orientierung zu ihrem Zentrum machen. Das würde helfen, die verlor-ene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Touristiker Jürg Stettler hinterfragt grossmundige Versprechen der Promotoren von Sion 2026.
Unabhängig von politischen Haltungen ist festzustellen: Trägt die Schweiz das finanzielle Risiko, darf sie sich nicht auf Olympia einlassen.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
29.11.2012
Den Part der Olympiagegner hat auf dem Podium SP-Präsident Jon Pult übernommen. Er zweifelt zwar nicht an den guten Absichten der Promotoren, für ihn sind Olympische Spiele aber das falsche Mittel für eine Zukunftsperspektive im Berggebiet (Bündner Tagblatt).
Aufmerksam hat SP-Präsident Jon Pult der Werbebotschaft von Bundesrat Ueli Maurer für eine Beteiligung Graubündens an einer Schweizer Olympiakandidatur zugehört. Die hehren Absichten, die der Bundesrat mit dem Projekt verfolgt, kann Pult zwar nachvollziehen, bevor man aber Milliarden für eine Imagekorrektur ausgebe, müsse man zuerst den eigenen Stall in Ordnung bringen. Das in vielen Bereichen schlechte Image habe sich die Schweiz nämlich selber zuzuschreiben. Dieses lasse sich nicht einfach mit einem grossen Fest übertünchen.
Andere Pläne für Berggebiet
Das falsche Mittel sind ein Megaanlass wie Olympische Winterspiele nach Ansicht von Jon Pult auch für die Weiterentwicklung des Berggebiets. Neben grossen Bedenken über die Landschaftsverträglichkeit befürchtet der SP-Politiker auch die Schaffung von Überkapazitäten in der Hotellerie und einen kurzfristigen Hype. Er erachtet es auch als falsch, voll auf den Wintersport zu setzen. Ziel müsse die Stärkung eines Ganzjahrestourismus sein, und da würden
die Millioneninvestitionen kaum etwas bringen.
Auch der Schub der vom Bund in Aussicht gestellten Investitionsspritzen wird von den Olympiakritikern in Zweifel gezogen. Die wirklich wichtigen Projekte, wie die Abnahme des Halbstundentaktes in Graubünden, würden auch ohne Olympische Spiele kommen, wenn auch vielleicht das eine oder andere Jahr später, argumentiert Pult. Den grössten Unsicherheitsfaktor
sieht er aber beim IOC, dessen «Knebelverträgen» er mehr als Skepsis entgegenbringt.
«60 Prozent sagen Nein»
Pult kritisierte auch, dass man jetzt von einer Olympiakandidatur Schweiz und von Graubünden 2022 spreche. Das IOC verlange klar eine Host-City, womit die Kandidatur «St. Moritz 2022» heissen werde. Er zweifle daran, ob alle andern Partner wirklich noch viel davon profitieren würden. Die negativen Erfahrungen vergangener Spiele würden klar gegen einen solchen Anlass sprechen. Olympische Spiele seien heute zu einem Allerweltsprodukt geworden. Es sei gefährlich, alle Zukunftshoffnungen nur auf dieses Projekt zu fokussieren. Er zweifelt nicht daran, dass bereits die Bündner Stimmbevölkerung diesem ein Ende setzt. Seine Prognose: 60 Prozent Nein.