Stefan Grass
Leiter des Komitees Olympia-kritisches Graubünden
Das Nein zu «Sion 2026» ist kein Entscheid gegen die Walliser Organisatoren. Es spiegelt vielmehr die Skepsis gegenüber der Selbstherrlichkeit interna-tionaler Sportverbände. Die Schweiz braucht keine Plattform zur Selbstdar-stellung.
Die Olympischen Spiele müssten wieder verstärkt den Menschen statt die Markt- und Technologie-orientierung zu ihrem Zentrum machen. Das würde helfen, die verlor-ene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Touristiker Jürg Stettler hinterfragt grossmundige Versprechen der Promotoren von Sion 2026.
Unabhängig von politischen Haltungen ist festzustellen: Trägt die Schweiz das finanzielle Risiko, darf sie sich nicht auf Olympia einlassen.
Mauspfeil auf dem Titel zeigt Medium, Datum und Lead:
21.03.2022
Hohe Baukosten, ungenutzte Sportstätten, umweltschädliche Grossprojekte: Die Kritik um die Austragung der Olympischen Spiele in Mailand und Cortina/I 2026 bleibt laut. Wir müssen hinterfragen, ob solche Sportereignisse noch einen Platz in den Alpen haben, meint Vanda Bonardo, Präsidentin von CIPRA Italien.
Von Vanda Bonardo, Präsidentin von CIPRA Italien
Für die Olympischen Spiele 2026 wird in Cortina/I eine neue Bobbahn gebaut. Die Kosten belaufen sich auf 61 Millionen, doch diese Zahl wird sicher noch steigen. Riesige Bobbahnen und Skisprunganlagen sind für die Wettkämpfe zwar unverzichtbar, werden aber nach den Spielen meist aufgegeben. Das ist absehbar, da nur sehr wenige Menschen diese Sportarten betreiben. Obwohl das IOC die Nutzung bestehender Einrichtungen empfiehlt, wollen die regionalen und lokalen Institutionen unbedingt neue Einrichtungen bauen.
Olympia bringt auch andere Probleme mit sich. Es ist eine grosse Chance für die lokalen Behörden, die eifrig Projekte verschiedenster Art aus der Schublade ziehen. Bei den meisten handelt es sich um neue Strasseninfrastrukturprojekte, von denen nur wenige für die Gemeinden von Nutzen sind. Das ist jedoch noch nicht alles: Die Region Venetien hat vor kurzem ein Projekt in Auftrag gegeben, um mögliche Skiverbindungen zwischen den Skigebieten Cortina – Civetta – Alta Badia herzustellen. Das sind Bauvorhaben mit extrem hohen Umweltauswirkungen in Gebieten von grosser natürlicher Schönheit. Sie werden fälschlicherweise als eine Form der nachhaltigen Mobilität präsentiert, da sie zwar als «verbunden» gelten, für die Spiele aber überhaupt nicht geeignet sind.
Im fernen Peking wurde eine völlig künstliche Olympiade als grün verkauft. Auch für die Olympischen Spiele 2026 besteht die reale Gefahr, dass sie ein Entwicklungsmodell zeigen werden, das in einem sensiblen Berggebiet wie den Alpen nicht mehr tragbar ist. CIPRA Italien wird gemeinsam mit den anderen Verbänden und Komitees alles tun, um sich gegen die Absurdität dieser Pläne zu wehren. Ebenso brauchen wir eine europäische Reflexion über den Wert und die Bedeutung dieser Grossereignisse. Zumindest müssen die – derzeit nicht befolgten – Empfehlungen der Olympischen Agenda 2020 des IOC zu verbindlichen Regeln werden, um Kandidaturen überhaupt zu gestatten. Andernfalls sollten wir uns fragen, ob es im Zeitalter der Klimakrise noch sinnvoll ist, diese Sportereignisse in den Bergen auszutragen. Oder ist es an der Zeit, eine spannende, aber inzwischen anachronistisch gewordene Tradition zu beenden.
Die Alpen waren schon mehrmals Austragungsort für die Olympischen Winterspiele, zuletzt 2006 in Turin. In den letzten Jahren scheiterten alle Kandidaturen aus den Alpen, sei es, weil das Internationale Olympische Komitee (IOC) anderen, mächtigeren Kandidaten den Vorzug gab, sei es, weil die örtliche Bevölkerung sich dagegen aussprach.